Wenn ich online nach Artikeln über ADHS und Familie suche, finde ich oft Geschichten von Eltern, die mit ADHS bei ihren Kindern kämpfen. Aber was ist mit uns Eltern, die selbst ADHS haben? Mein Kleiner ist erst 1,5 Jahre alt – mitten in der Entdeckungsphase – und ich liebe ihn über alles. Aber ich merke auch: Das Leben als Mama mit ADHS ist ein täglicher Balanceakt. Es gibt kaum Beiträge darüber, wie schwierig es sein kann, sich selbst und den Alltag im Griff zu behalten, während man versucht, gleichzeitig eine geduldige, liebevolle Mama zu sein. Genau darüber möchte ich heute schreiben – die ehrlichen Momente, die Struggles und wie ich mich durchwurschtele.
Laut, chaotisch und mittendrin
Manchmal habe ich das Gefühl, mein Kopf ist ein riesiges Mikrofon, das jeden kleinen Laut verstärkt – das Lachen meines Kindes, das Rasseln seiner Lieblingsspielzeuge, sogar der Geschirrspüler im Hintergrund. Mein absoluter Endgegner: quietschen! Diese hohe Frequenz, die dieses Kind mit seinem Mund produzieren kann, geht mir jedes Mal durch Mark und Bein. Als Mama mit ADHS ist das eine echte Herausforderung für mich. Laute Geräusche rauben mir oft schneller die Energie und Geduld, als mir lieb ist. Es ist, als hätte ich eine begrenzte Ladung an innerer Ruhe, die durch jede Geräuschkulisse schneller abnimmt.
Und dann ist da noch das Chaos. Mit einem Kleinkind im Haus liegt gefühlt überall irgendetwas herum: Bausteine, kleine Socken, ein halb gegessener Keks. Es ist nicht nur die Unordnung an sich, die mich stresst, sondern die ständige Entscheidung, die damit einhergeht. Räume ich es jetzt weg – obwohl ich weiß, dass in einer halben Stunde alles wieder aussieht wie vorher? Oder lasse ich es liegen und versuche, meine Energie zu sparen? Egal wie ich mich entscheide, es fühlt sich oft wie ein Kompromiss an, der mich Kraft kostet. Und meine eigene Unordnung muss ich ja auch noch irgendwann aufräumen.

Geduld? Schwierig als Mama mit ADHS
Eigentlich bin ich ein recht geduldiger Mensch. Früher habe ich das oft als meine Stärke angesehen. Naja, zumindest bis mein Kind auf die Welt kam. Seit diesem Zeitpunkt ist das mit der Geduld, bei mir so eine Sache. Als Mama mit ADHS stehe ich oft vor einem inneren Vulkan, der auszubrechen droht, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Ein geplanter Spaziergang, der wegen eines Trotzanfalls ins Chaos stürzt, oder ein Kind, dass einfach nicht einschlafen will, obwohl es todmüde ist und ich alles versuche ihn in den Schaf zu wiegen – solche Momente triggern eine Frustration, die mich manchmal überrollt. Durch die Impulsivität des ADHS möchte ich dann am liebsten etwas schlagen, durch die Gegend schmeißen oder schreien.
Aber nein, das mache ich nicht! Auch wenn ich die Wut in mir spüre, schaffe ich es irgendwie, sie herunterzuschlucken. Doch stattdessen bricht sie dann in einer anderen Form aus: in Tränen. Das fühlt sich fast genauso unangenehm an, weil ich meinem Kind doch eigentlich Stärke und Gelassenheit zeigen will. Gleichzeitig will ich ihm auch vorleben, dass Gefühle wie Wut oder Traurigkeit okay sind – dass sie zum Leben dazugehören.
Das ist das Dilemma: Wie leite ich mein Kind ruhig durch seine großen Emotionen, wenn ich selbst mitten in einem Sturm stecke? Wie bleibe ich geduldig, ohne meine eigenen Gefühle zu unterdrücken? Ich möchte meinem Kind beibringen, dass es völlig in Ordnung ist, wütend oder traurig zu sein, aber ich will diese Gefühle nicht auf ihn abladen. Es ist ein ständiger Balanceakt zwischen emotionaler Kontrolle und Authentizität, der mich täglich herausfordert.
Zeit für mich? Kaum möglich!
Ich weiß, wie wichtig es ist, ab und zu mal Zeit für sich selbst zu haben, um aufzuladen und die vielen Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Aber als Mama mit ADHS bleibt diese „Zeit für mich“ meistens auf der Strecke – und das nicht nur gelegentlich, sondern fast täglich.
Mein Tagesablauf
Mein Tag beginnt um 6 Uhr, zumindest sofern mein Kind nicht schon eher wach wird. Nach einer neuen Windel setze ich mich zu meinem Kleinen an den Tisch um ihn beim Frühstücken zu begleiten. Ich selber frühstücke erst, wenn ich ihn weggebracht habe. Mein Mann nutzt die Zeit um Sport zu machen.
Dann Anziehen und mit der Bahn zur Kita. Für die Strecke hin und zurück brauche ich meist bis zu einer Stunde und bin nicht selten erst um 9 wieder daheim.
Weiter geht es mit Homeoffice bis 15 Uhr, denn dann muss ich los um mein Kind wieder abzuholen. Mein Mann kommt meist schon gegen 14 Uhr nach Hause und nutz die Zeit bis wir wieder da sind um selber durchzuatmen.
Wenn ich dann das Abendessen koche – was ich oft tue, weil es sich irgendwie wie meine einzige „Me-Time“ anfühlt – bleibt mir keine echte Pause. Kochen ist zwar praktisch und notwendig, aber es kostet mich auch eine Menge Energie. Sobald das erledigt ist, kommt die letzte Spielrunde mit dem Kleinen, bis er um 19 oder 20 Uhr endlich im Bett liegt. Und auch wenn das der Moment ist, in dem ich etwas runterfahren könnte, sind da immer noch ein paar Kleinigkeiten im Haushalt zu erledigen.
Und zu spät ins Bett will ich auch nicht, da es am nächsten Morgen ja ab 6 Uhr wieder los geht.
Was tun?
Es ist ein ständiges Jonglieren zwischen meinen eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen des Alltags. Ich weiß, wie wichtig es wäre, einfach mal eine Stunde für mich zu haben, um meine Gedanken zu sortieren und etwas abzuschalten. Aber irgendwie bleibt diese Zeit immer auf der Strecke, und es kostet mich einiges an Energie, das zu akzeptieren.
Ich bin sehr dankbar, dass ich einen Partner habe, der an meiner Seite ist und mich unterstützt. Auch wenn er nicht immer ganz verstehen kann, warum manche Dinge für mich so schwer sind, wie sie sind, versucht er doch mich immer wieder bestmöglich zu unterstützen. An Tagen, an denen er zeitig nach Hause kommt, holt er unser Kind ab. Dadurch habe ich eine Stunde mehr Zeit, die ich arbeiten kann und in Zukunft als Pause für mich nutzen möchte. Aber auch das muss ich erstmal noch lernen.
Mama mit ADHS: Werte, Zweifel und Zwangsgedanken

Ich möchte für mein Kind eine gute Mama sein – eine, die ihm wichtige Werte beibringt und ihn durch das Leben begleitet. Dabei orientiere ich mich oft am Montessori-Prinzip, weil ich glaube, dass es eine wunderbare Möglichkeit ist, Selbstständigkeit und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Doch es ist nicht immer einfach, diese Ideale in den Alltag zu integrieren, wenn der Struggle als Mama mit ADHS mich ständig begleitet. Ich habe oft das Gefühl, dass meine eigenen Kämpfe mich daran hindern, die Mama zu sein, die ich mir wünsche zu sein.
Einer der größten Struggles ist, dass mir durch ADHS oft die Kraft und Energie fehlen, aktiv mit meinem Kind zu spielen. Ich möchte so gerne die Mama sein, die mit ihm in der Welt der Fantasie abtaucht und stundenlang spielt. Aber stattdessen finde ich mich häufig auf der Couch wieder, mein Handy in der Hand, während er alleine im Wohnzimmer spielt. Ich fühle mich dann schuldig und enttäuscht von mir selbst. Es ist, als würde ich in den eigenen Gedanken gefangen sein – immer wieder dieses Gefühl, dass ich versage. Diese Selbstkritik lässt mich zweifeln, ob ich die Mutterrolle wirklich ausfülle, so wie ich es mir vorstelle.
Es ist ein ständiger Konflikt zwischen dem Wunsch, die beste Version meiner selbst zu sein, und den Realitäten des Alltags als Mama mit ADHS. Ich will meinem Kind all die Liebe und Werte mitgeben, die er braucht, aber manchmal fehlt mir einfach die Energie und die Geduld, um diese Ziele wirklich zu erreichen. Und so sitze ich da, mit Zwangsgedanken, die mir sagen, dass ich nicht gut genug bin. Doch ich weiß tief im Inneren, dass diese Gedanken nicht die ganze Wahrheit sind. Es ist nur ein weiterer Teil des Mama-Seins, den ich noch lernen muss zu akzeptieren.
Fazit: So fühlt sich der Balanceakt wirklich an
Vor der Schwangerschaft habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass meine Schwierigkeiten im Alltag von ADHS kommen. Nach der Geburt meines Kindes hatte ich Zeit mich intensiv damit auseinander zu setzen und mich zu belesen. Aber so gut das Gefühl endlich Klarheit zu haben auch war, mit der Mutterschaft kamen neue Probleme auf mich zu. Nicht nur die neuen Gegebenheiten, die allen neuen Eltern bevorstehen, sondern auch neue ADHS Schwierigkeiten.
Ich bin dabei mir hilfreiche Tipps für den Alltag zu suchen und habe auch schon einige gefunden, aber ich bin mir auch bewusst, dass mit jeder neuen Lebensphase meines Kindes sich auch mein Alltag und somit meine Struggles erneut verändern können – sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. Lass mich eins sagen. ADHS und Elternschaft sind nicht sie beste Kombination.
Versteh mich nicht falls, ich liebe mein Kind über alles und möchte es auch nicht missen. Aber ich kann alle Menschen verstehen, die sich aufgrund ihres ADHS bewusst gegen eigene Kinder entscheiden.
Ich danke dir für deine Geschichte. Selbst Mama mit ADHS und es tut einfach nur gut zu wissen, dass auch andere an den selben Stellen stehen und versuchen das bestmögliche daraus zu machen! Viel Liebe für euch..
Dankeschön.🙏🏻 Genau dafür habe ich diesen Blog gestartet. Damit andere, die in der selben Situation sind, sehen können, dass sie damit nicht allein sind und vielleicht den ein oder anderen Tipp für sich selbst mitnehmen können. ✨